Wirkt Johanniskraut bei Depressionen?

Der Wunsch nach einer „natürlichen“ Behandlung der Depression ist bei vielen Patienten groß. In der Abgrenzung zu so mancher suspekter Rezeptur aus dem Bereich der Paramedizin bleiben dem an Evidenz orientierten Arzt nicht viele Möglichkeiten.

Genau genommen gibt es nur eine Option.

In der S3-Leitlinie zur Behandlung der unipolaren Depression wird als Alternative zu „chemischen“ Antidepressiva die Gabe von Johanniskraut empfohlen.

Gerade für den niedergelassenen Arzt in der Praxis ist es dabei von Bedeutung, auf zwei Dinge zu achten:

  • Die Substanz sollte eine in Studien nachgewiesene Wirksamkeit besitzen.
  • Das Präparat sollte als verschreibungspflichtiges Medikament zugelassen sein.

Eine 900 mg-Dosierung von Johanniskraut-Extrakt ist nach einer Studie aus 2006 dem Vergleichspräparat Citalopram in der Dosierung 20 mg von der Wirkung her ebenbürtig und zeigte weniger Nebenwirkungen. Zugelassen ist das Medikament aber nur für leichte und mittelschwere Depressionen. Eine schwere depressive Episode spricht in der Regel nicht auf Johanniskraut an und sollte deshalb auch nicht damit behandelt werden.

Aus der Praxis gibt es noch drei weitere wichtige Einschränkungen für die Behandlung mit Johanniskraut:

  • Unter der Einnahme von Johanniskraut besteht eine gesteigerte Lichtempfindlichkeit der Haut.
  • Es kann zu einem Anstieg der „Leberwerte“ kommen.
  • Das Medikament war gerade im letzten Jahr nicht immer verfügbar.

Während die ersten beiden Punkte durch eine Anpassung des Verhaltens bzw. Laborkontrollen in den Griff zu bekommen sind, ist der plötzliche Lieferengpass eines Medikaments mehr als unangenehm. Gerade wenn das Präparat wirkt und dann plötzlich in der Apotheke nicht mehr verfügbar ist, geraten Patient und Behandler sehr schnell in eine gewisse Bedrängnis. In der Praxis sind wir nolens volens dann auf frei verkäufliche Präparate ausgewichen, was wegen der fehlenden Studienlage und der Tatsache, das der Patient diese selbst finanzieren muss, sehr unbefriedigend ist.

Peter Teuschel

Bildquelle: von Isidre blanc (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

7 Responses
  1. Ich begegne immer wieder Patientinnen und Patienten, die von mir als Psychologin ein Feedback zu der vom Psychiater verschriebenen Medikation bekommen möchten. Häufig werde ich dann auch gefragt, ob nicht eine homöopathische Medikation eine geeignete Alternative ist, oder eben auch Johanniskraut als natürliches Präparat. Mir fällt in solchen Gesprächen immer wieder auf, dass bei vielen Menschen eine grundlegende Skepsis gegenüber Präparaten chemischen Ursprungs vorhanden ist und häufig davon ausgegangen wird, dass natürliche Präparate bei mindestens gleicher Wirksamkeit keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen.

    • Neben dem Aspekt der Hoffnung, etwas mit guter Wirksamkeit ohne Nebenwirkungen zu bekommen, frage ich mich, wie es so weit kommen konnte. Warum sind „chemische“ Präparate so in Misskredit geraten? Und warum fragen diese Patienten die Therapeutin und nicht den Arzt, der das Medikament verschrieben hat?

  2. Was auch noch erwähnenswert ist: Johanneskraut kann die Wirkung der „Pille“ bei Frauen reduzieren. Und ich kann mir bei weitem als Betroffene kaum etwas schlimmeres vorstellen als während einer depressiven Episode ungewollt schwanger zu werden!

  3. Michael Stiel Antworten

    Mit Johanniskraut kann eine Depression allerdings durch ein glückliches Ereignis deutlich abgemildert werden! Meine „Nebenwirkung“ ist jetzt 11 Jahre alt und ein grosses Glück für alle. Die Einnahme dürfte das Kontrazeptivum meiner Partnerin beeinflusst haben…

    • Zu dieser „Nebenwirkung“ darf man also gratulieren! Eine Beeinflussung des Kontrazeptivums durch Johanniskraut ist aber nicht zu befürchten, wenn der Vater das Hypericum-Präparat einnimmt.

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