Sie vertragen Medikamente schlecht? Es könnte an der Faultierleber liegen.

Ein neues Medikament – vertrage ich das?

Angst vor Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten spielen gerade im Bereich der Psychiatrie eine sehr große Rolle. Psychopharmaka haben, wie der Name schon sagt, einen Einfluss auf die Psyche. Alleine das ist vielen Menschen schon suspekt. Bei der Neueinstellung auf ein Medikament vergehen insbesondere bei Antidepressiva durchaus einmal ein, zwei, drei oder im Einzelfall auch noch mehr Wochen, bis eine spürbare Wirkung eintritt. Dagegen kann es in den ersten Tagen nach der Einnahme schon zum Auftreten von Nebenwirkungen kommen. Diese werden besonders von Patienten, die das erste Mal „was für die Psyche“ nehmen, ohnehin meist regelrecht erwartet. Kaum ist die erste Tablette geschluckt, horcht man in sich hinein, ob irgend wo etwas zwickt oder zwackt.

Das Wichtigste bei der Neueinstellung ist deshalb die genaue und ausführliche Aufklärung, womit der Patient nach der Einnahme zu rechnen hat und wann voraussichtlich die Wirkung einsetzen wird.

Trotz dieser Maßnahme gibt es immer wieder Patienten, die glaubhaft versichern, dass bei ihnen Nebenwirkungen in einem deutlich stärkeren Ausmaß auftreten als man das erwarten würde.

Diese Patienten sind weder hypochondrisch noch hysterisch, sondern besitzen eine Eigenart: Sie haben eine „Faultierleber“.

Der größte Teil der eingenommenen Medikamente wird in der Leber verstoffwechselt. Diese Arbeit wird von körpereigenen Enzymen verrichtet. Bei psychiatrischen Medikamenten sind es vor allem die Enzyme des so genannten CYP450-Systems. Dieses besteht aus verschiedenen Unter-Enzymen und da wird es jetzt individuell: Einige dieser Unterenzyme treten nämlich in verschiedenen Varianten auf. Besonders heimtückisch ist das Isoenzym CYP2D6. Es baut die vom Patienten eingenommenen Antidepressiva und Antipsychotika ab. Allerdings haben manche Menschen ein besonders faules CYP2D6. Es lässt sich extrem viel Zeit mit dem Abbau, so dass das Medikament länger im Körper bleibt und seine Konzentration im Blut ansteigt. Damit nehmen dann auch Nebenwirkungen zu und zwar unter Umständen eben schon bei einer niedrigen Dosierung des Medikaments. Die Folge ist, dass zu den oben erwähnten psychologischen Faktoren eine reale und übermäßige Anreicherung der eingenommenen Substanz im Blut kommt, was zum Auftreten der Nebenwirkungen führt, wodurch naturgemäß die Bereitschaft des Patienten sinkt, sich auf die medikamentöse Behandlung weiter einzulassen.

Wie häufig ist der Faultiermodus der Leber?

Das hängt von der ethnischen Herkunft ab. Hier in Deutschland herrscht der so genannte kaukasische Typ vor. Bei diesem sind es etwa 14% der Bevölkerung, deren Leber sich sehr viel Zeit mit dem Abbau lässt. Bei Asiaten, Afrikanern (und Afroamerikanern) haben dagegen geschätzt 40-50% (!) eine Faultierleber. Das bedeutet im Klartext, dass man bei der Behandlung eines Patienten aus dieser Gruppe nahezu bei jedem zweiten sehr vorsichtig dosieren muss, um eine Anreicherung des Medikaments im Blut zu verhindern. Beispielsweise bei der Behandlung von Flüchtlingen sollte man das immer im Hinterkopf behalten.

Wenn man sich nicht sicher ist, kann man den Blutspiegel der allermeisten Medikamente im Labor bestimmen lassen.

Den „poor metabolizern“ stehen übrigens die „ultra rapid metabolizer“ gegenüber. Deren Leber ist im „Speedy-Gonzales-Modus“ und verstoffwechselt alles, was auf dem Blutweg so daher kommt, in einer sehr hohen Geschwindigkeit. Die Folge davon: Der Blutspiegel  des Medikaments ist sehr niedrig, was zu einer fehlenden Wirksamkeit führt. Solche Patienten brauchen dann oft eine höhere Dosis als der Durchschnitt.

Mittels eines Gentests kann man feststellen, ob jemand „poor metabolizer“ ist. Gentests werden allgemein im so genannten GenDiagnostik-Gesetz geregelt.

Peter Teuschel

Hier kann man sich genauer über dieses Thema informieren.

Beitragsbild: © Peter Teuschel

2 Responses
  1. Sehr interessant. Was für ein wissenschaftlicher Fortschritt, dass man heute derart detaillierte Aussagen über die individuelle Reaktion auf Arzneimittel machen kann!
    Ich kanns mir nicht verkneifen: Nur für die Homöopathie ist das doch alles egal – um Dinge wie Resorption und Metabolisierung hat sie sich bei ihren Fantasiedosierungen ja noch nie gekümmert… Naja, sie wird ja gewisse Schwierigkeiten haben, labortechnisch den Wirkstoffspiegel im Blut des Patienten zu bestimmen.
    Bleiben wir also lieber bei den „Grenzen der realen Welt“, wie Prof. Otto Prokop das Handlungsfeld der Naturwissenschaften beschrieb.

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