Warum wir bei Donald Trump keine Diagnosen stellen sollten

In den letzten Wochen haben einige amerikanische Psychiater und Psychologen mit einer Regel gebrochen und haben sich öffentlich zu einer möglichen Diagnose von Donald Trump geäußert.
Die Rede war von „malignem Narzissmus“, und die Schlussfolgerung hieß, dass Trump deswegen nicht in der Lage sei, das Amt des Präsidenten zu bekleiden.

Was ich davon halte?

Als Psychiater finde ich das insgesamt wenig gelungen, und zwar aus zwei Gründen:

1. Ferndiagnosen sind so eine Sache. Ohne einen Patienten persönlich untersucht zu haben, sollte man keine Diagnose stellen. Eine Ausnahme stellen Gutachtensaufträge dar, bei denen sich der Proband weigert, mit dem Psychiater zu sprechen. Dann kommt nur eine intensive Beobachtung des Probanden über einen längeren Zeitraum in Frage, wie es zuletzt der Gutachter Prof. Saß bei Beate Zschäpe praktiziert hat. Aber das sind, wie gesagt, Ausnahmen.

Dass Ferndiagnosen gewaltig in die Hose gehen können, musste hier in München Professor Hans-Jürgen Möller schmerzlich erfahren. In einem aufsehenerregenden Prozess wurde er 2010 schuldig gesprochen, dem Teppichkunsthändler Eberhart Herrmann 15000 € zu zahlen und für alle materiellen Schäden aufzukommen, die Herrmann aus einer „Begutachtung“ durch Möller entstanden sind. Was war passiert?

Möller hatte nach einer etwa halbstündigen Beobachtung Herrmanns während eines Verkaufsgesprächs eine psychiatrische Diagnose gestellt, darüber ein Attest verfasst und dieses der Auftraggeberin der „Begutachtung“, nämlich der Ehefrau des Teppichhändlers übergeben. In dieser Bescheinigung wurde die Einweisung Herrmanns in eine psychiatrische Klinik empfohlen. Herrmann floh daraufhin in die Schweiz und verklagte Möller und den Freistaat Bayern. Nach einer 13jährigen juristischen Auseinandersetzung sprach das Oberlandesgericht München oben genanntes Urteil.

Man sollte sich als Psychiater also hüten, Expertisen über Personen abzugeben, die man nicht gründlich untersucht hat.

2. Der zweite Grund gegen das Vorgehen der amerikanischen Kollegen betrifft die von diesen gestellte Diagnose. Eine Persönlichkeitsstörung (denn eine solche ist der „maligne Narzissmus“) wird bei forensischen Gutachten recht häufig diagnostiziert. Unter anderem wurde diese Diagnose auch im – zugegebenermaßen chaotischen – Gutachtermarathon bei Anders Behring Breivik gestellt. Aber auch der so genannte „Maskenmann“ erhielt die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung.

Bei forensischen Gutachten im Rahmen einer Straftat geht es fast immer auch um die Schuldfähigkeit. Schuldunfähig ist, „wer bei Begehung der Tat (…) unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“
Bei einer Persönlichkeitsstörung besteht häufig volle Schuldfähigkeit. Anders als z.B. bei einer schizophrenen Psychose, bei der vielleicht befehlende Stimmen den Patienten zur Tat nötigen, geht man bei einer Persönlichkeitsstörung in der Regel davon aus, das der Täter „das Unrecht der Tat“ erkennen kann und damit schuldfähig ist.

Was sagt uns das über Donald Trump?

Selbst wenn an dem diagnostizierten „malignen Narzissmus“ etwas dran sein sollte, so würde man nach forensischer Auffassung davon ausgehen, dass Trump trotz dieser Diagnose alle seine Handlungen überblicken und verantworten muss. Dadurch bleibt das Problem aber ein politisches.

Es ist nicht Sache der Psychiater und Psychologen, jemanden, der politisch bekämpft werden sollte, durch den zweifelhaften Einsatz von Ferndiagnosen als „amtsunfähig“ zu bezeichnen.

Donald Trump ist ein Politiker, der nachvollziehbarerweise vielen Menschen Angst macht. Wir sollten ihm keine seiner Winkelzüge, seiner Verdrehungen und „alternativen Fakten“ durchgehen lassen. Wir sollten ihn mit echten Fakten bekämpfen. Wir sollten darauf vertrauen, das das amerikanische System ihn zu Fall bringen wird, sollte er wirklich nicht in der Lage sein, sein Amt korrekt auszuführen.

Aber das sind politische Aufgaben und Fragestellungen.

Wenn wir uns als Psychiater und Psychologen zu Donald Trump äußern, sollten wir der Versuchung widerstehen, unsere Expertise als politisches Statement zu missbrauchen. Das ist nicht seriös. Es ist auch nicht erforderlich. Wir haben die Fakten auf unserer Seite.

Peter Teuschel

Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/donkeyhotey/25485978382/in/photostream/

3 Responses
  1. Hallo Herr Dr. Teuschel,
    was aber an Trump gruselt, ist, dass er recht viel Macht hat ( seine Politik macht nicht nur er alleine, sondern sein ganzer Machtapparat dahinter). Das seine Verhaltensweisen, z.B.eindeutige Lügen einfach als Wahrheit darzustellen und sich damit dreist stoisch der Öffentlichkeit zu präsentieren, Menschen negativ beeinflusst. Das politische Zerrbilder durch ihn transportiert werden, und man nicht weiß, was er mit seiner Macht wirklich im Schilde führt ( bzw. seine Hintermänner). Man darf doch aber seinen Eindruck beschreiben: mir kommt dieser Präsident wie eine böse gefährliche Comikfigur, nicht wie ein Vorbild oder erster Mann im Staat vor, noch mehr oder böser als Bush Junior, der wirkte eher wie eine harmlose Marionette. Und dann gewählt von Millionen, die doch auch sehen müssten, wie schwach so Jemand als Vorbild erscheint. Man darf doch sagen, dass das einem intelligenten Menschen etwas unverständlich vorkommt, wieso so Jemand Amerika regiert?

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