
Faktenbasierter Diskurs
Irgendwas muss wohl mit mir nicht stimmen.
Ich habe noch nie, wirklich noch nie eine Schlüssigkeit in den Gedankengängen der Homöopathie entdecken können. Wirklich nicht. Obwohl sie doch „so beliebt“ ist und „die Leute sie wollen“. Stimmt irgendwas nicht mit mir?
Man kann nicht einmal sagen, ich wäre ein Homöopathiegegner. Nein, man kann kein Gegner einer Schimäre, eines Phantoms sein. Ich bin ja auch nicht Gegner von Spiderman. Ich bin Gegner der öffentlichen Promotion von Unsinn.
Ich erinnere mich, dass ich vor Jahrzehnten einmal einen längeren Artikel über Samuel Hahnemann und die „Prinzipien“ der Homöopathie gelesen habe. Was bei mir eine Art ungläubiger Heiterkeit hervorrief.
Das stand wohl im Zusammenhang damit, dass in den 1970er Jahren die damalige Gattin des Bundespräsidenten, Dr. Veronika Carstens, sich anschickte, bundesweit die Sonne auch nachts auf Feld, Wald und Wiese scheinen und überall kleine Blümchen regnen zu lassen. Sie propagierte auf diese Weise Naturheilkunde und Homöopathie als praktisch begriffsgleich und konnte damit das begeisterte Volk hinter sich scharen.
Eine Taktik, die ebenso erfolgreich wie nachhaltig war. Folgte dieser doch nicht nur ein erneuter Aufstieg der Homöopathie und ihrer Lobbyeinrichtungen (deren erste ja eine Stiftung der Eheleute Carstens war). Sondern wir verdanken Frau Dr. Carstens auch das nach wie vor kaum ausrottbare Fehlurteil, Homöopathie sei Naturheilkunde (ist sie nicht, sie ist eine spezifische Arzneimittellehre auf der Grundlage „geistiger Kräfte“ unter Nutzung aller möglichen und unmöglichen „Ursubstanzen“).
Dies hatte mich durchaus schon irritiert. Richtig aufmerksam wurde ich dann aber, als die Homöopathie plötzlich die Weihen des Gesetzgebers und damit einen Platz im öffentlichen Gesundheitswesen erhielt. Übrigens im Schlepptau der fast noch unsäglicheren Anthroposophie, die damals in der Politik schon ihre Fürsprecher hatte. 2012 wurde dann auch noch mit dem 3. Versorgungsstrukturgesetz den gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit eingeräumt, Homöopathie als Satzungsleistung anzubieten. Wovon diese ausgiebig Gebrauch machten.
Als Folge dessen bin ich sozusagen durch die Hintertür zur Homöopathiekritik gekommen. Der glänzende Aufstieg der Methode zu höheren Weihen weckte erst einmal Zweifel an meinem bisherigen ablehnenden Standpunkt. Man kann ja auch mal Unrecht haben. Ich habe mich dann mit Primär- und Sekundärliteratur befasst, mit Studien und Wissenschaftsmethodik, mit anderen medizinischen und pseudomedizinischen Themen auch so manches interessante Gespräch geführt. Um mir die Frage zu beantworten, ob nicht doch etwas dran ist an dieser Methode, die trotz haarsträubend negativer Beleglage eine derartige Verankerung im öffentlichen Bewusstsein und sogar in der Gesundheitspolitik gefunden hat. Jedoch:
Es ist nichts dran. Aus vielen Gründen.
Hier nur ein kurzer Abriss:
- Es gibt keine „geistigen Kräfte“, weder als „Lebenskraft“ im Menschen noch als „Heilkraft“ in Arzneimitteln, die die Lebenskraft wieder regulieren.
- Hahnemanns Grundannahme, es gebe gar keine gleichartig wiederkehrenden Krankheiten, vielmehr könne man von einer „Krankheit“ nur die individuellen Symptome erkennen und beheben, hat sich als Trugschluss epischen Ausmaßes erwiesen. Insofern ist es ein schlechter Scherz, wenn Homöopathen ihre Methode als „ganzheitlich“ und „ursächlich“ anpreisen, wobei es nach ihrem Lehrmeister doch einzig und allein um Symptombehandlung geht.
- Potenzieren ist und bleibt Verdünnen, trotz aller Zauberrituale in Richtung auf den Erdmittelpunkt. Zudem ist eine unendliche Verdünnung unmöglich, wegen der begrenzten Anzahl von Molekülen in einer Lösung. Irgendwann ist man nahe oder bei Null. Und das ist schon ziemlich wenig.
- Eine Wirkung setzt voraus, dass von der Ursache ein Schwellenwert überschritten wird. Den kennt man für pharmazeutische Wirkungen mit großer Genauigkeit. Bei den in der Homöopathie in der Regel verwendeten Potenzstufen ist man davon weit entfernt.
- Die Arzneimittelprüfung am Gesunden ist eine Farce. Sie fördert lediglich individuelle Befindlichkeiten zufälliger Art zutage und das auch noch, ohne für diese eine Verbindung mit der Einnahme der Testsubstanz nachweisen zu können. Statt dabei misstrauisch zu werden, basteln die Homöopathen aus Bergen von Symptombeschreibungen immer dicker und abenteuerlicher werdende Verzeichnisse (Materia Medica und Repertorien), die sie für ihre Therapien verwenden.
Als ob all das (kleiner Ausschnitt) nicht völlig ausreichen würde, jedem Unvoreingenommenen die Unsinnigkeit der Homöopathie schlagend zu belegen. Nein, da geht die Wissenschaft in bewundernswerter Geduld hin und befasst sich mit den Behauptungen der Homöopathen. Sie lässt nun mal ungern Behauptungen ungern ungeprüft im Raum stehen, eine Angewohnheit von ihr. Sie nimmt sogar gerade die Publikationen und Studien vor, die von den Homöopathen selbst als vermeintliche Beweise oft und gern herangezogen werden. Von Anbeginn der Zeiten an immer wieder mit dem Ergebnis, dass -wie nicht anders zu erwarten- eine Wirkung über den stets und überall auftretenden Placeboeffekt hinaus nicht vorhanden ist. Alle Behauptungen zur Wirksamkeit der Homöopathie, gar zu Wirkmechanismen (also Mechanismen nicht nachgewiesener Wirkungen…) blieben stets – Behauptungen. Bekanntlich die unterste Stufe der Definitionskette Behauptungen – Meinungen – Fakten.
Jedenfalls, um Sigmund Freud ein wenig abzuwandeln:
Wenn es um Fragen der Homöopathie geht, machen sich die Menschen aller möglichen Unaufrichtigkeiten schuldig.
Ich diskutiere nun schon eine Weile „homöopathiekritisch“ auf verschiedenen Ebenen. Warum? Nun, Foren, Blogs und die sozialen Medien wurden irgendwann zu Promotions- und Vertriebskanälen des zuckrigen Bullshits und entfalteten eine ungeahnte Wirksamkeit. Irgendwie war es zwangsläufig, dass ich mich hier und da einmal einmischte.
Mir liegen viele andere Dinge ebenfalls am Herzen und ich setze mich für die auch ein. Die Rolle der unsinnigen und unbelegten Homöopathie ist für mich aber wegen ihrer Durchdringung des öffentlichen Bewusstseins bis hin zur Gesetzgebung ein regelrechtes Fanal, ein Warnzeichen. Ein krasses Beispiel für eine grassierende Irrationalität, vom Apothekenkunden bis zum Gesetzgeber, die wir uns als moderne, vorgebliche aufgeklärte Gesellschaft -in einer „Bildungsrepublik Deutschland“- einfach nicht erlauben können. Denn: Je irrationaler die Ansichten, desto einfacher werden die scheinbaren Lösungen.
Und das betrifft nicht nur den gesundheitspolitischen und auch nicht nur den ökonomischen Aspekt. Wir werden nämlich die Herausforderungen der Zukunft überhaupt nur lösen können, wenn wir als Gesellschaft Entscheidungen auf der Grundlage rationaler, vernünftig begründbarer Positionen treffen. Öffentlicher Diskurs und öffentlicher Konsens können nur auf sinnvoll begründbaren Standpunkten beruhen. Die Zeit der Eingebungen und Offenbarungen ist vorbei. Dabei rede ich keineswegs einem harten Materialismus das Wort, wie er „der Skeptikerbewegung“ von interessierter Seite immer als ein vorgeblicher Makel vorgehalten wird. Vielmehr schlägt die Irrationalität einiger Vertreter der Homöopathie geradezu schon wieder genau in einen solchen Materialismus um – indem sie gegen jede Vernunft darauf beharren, es gebe materielle Wirkungsnachweise und -mechanismen für ihre Methode. Es gibt sie nicht.
Beitragsbild: Lizenz Fotolia_100202090
Der Autorenliste entnehme ich, dass Sie für Ihre Beiträge zur Wissenschaft dadurch qualizifiert sind, dass Sie „Verwaltungswissenschaftler mit Gespür für Logik“ sind. Für die Logik braucht man aber Verstand und kein Gespür. Das können Sie bei Immanuel Kant nachlesen.
DAnke für den -richtigen- Hinweis! Ich erlaube mir aber eine Erweiterung des Kantschen Diktums: Ohne Gespür können Sie heutzutage das Ende des Fadens gar nicht finden, der sie dann entlang des logischen Weges führt. Juristerei und Pseudowissenschaft sind die besten Beispiele dafür.