Warum Rationalität?

Irratio vs. Ratio

 

Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde…

Mag ja sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar. Sehe ich auch so. Aber darüber wissen wir alle nichts. Weder die Wissenschaft, noch diejenigen, die sich auf diesen Satz ständig berufen.

Ja, das ist so einer dieser dummen Allgemeinplätze, die einen Standpunkt begründen sollen, aber in Wirklichkeit nur die Tore für jegliche Beliebigkeit öffnen und das Ende jedes sinnvollen Diskurses bedeuten. Aber wieso begegnet man dem so häufig im täglichen Leben? Vorzugsweise im Zusammenhang mit der Rechtfertigung pseudomedizinischer Ansichten?

Der Grund, warum so viele Menschen die unterschiedlichsten Formen von Pseudomedizin und -psychologie faszinieren, liegt in einem Hang zum Geheimnisvollen, im Willen zu „glauben“ und einer instinktiven Abneigung gegenüber dem „Wissen“, der Neigung, eher blind zu vertrauen (notfalls dem eigenen „Bauchgefühl“) als sich unvoreingenommen zu informieren. Die Suche nach dem Einfachen, ohne große Mühe Einsichtigen eben. Menschlich zwar. Aber:

Es ist Geringschätzung von Rationalität zugunsten oberflächlicher Eindrücke und „schnellen Denkens“ mit zu wenig Informationen. Diese Kräfte sind gewaltig und sind im Leben nahezu überall am Werk. Ich nehme hier gerne einmal mehr die Homöopathie zum Kronzeugen. Die weltweite Wissenschaftsgemeinde ist sich einig: Nix drin, nix dran. Und wie sieht es tatsächlich aus, hier bei uns? Dreistellige Millionenumsätze, ein Heer von Praktizierenden dieser Scheinmethode, in der Bevölkerung durchaus angesehen, politisch akzeptiert unter Verleihung von Sonderrechten im öffentlichen Gesundheitswesen und mit dem Anspruch auftretend, wissenschaftlich anerkannt zu werden. Das ist praktizierte Irrationalität. Häufig verteidigt und gerechtfertigt gegen jedes faktenbasierte Argument mit eben dem bekannten Hamlet-Zitat – als scheinbar letzte Zuflucht vor den Zumutungen der Rationalität. Obwohl Informationen zur Genüge vorhanden sind.

Hier soll zunächst gar nicht die Rede sein von den näheren Ursachen für so etwas. Vielmehr möchte ich einmal verdeutlichen, warum wir uns eine solche Haltung überhaupt nicht leisten können.

Komplexe Welt

Die Welt ist so komplex geworden, hört man allenthalben. Gewiss zu Recht. Aber kann das eine Rechtfertigung, auch nur eine Begründung dafür sein, sich auf die sogenannten einfachen Lösungen zurückzuziehen, sich der Realität zu verweigern, Vertrauen in Menschen und Dinge zu setzen, die einfachste Auswege aus dem Dilemma der scheinbaren eigenen Unmündigkeit oder Unwissenheit anbieten? Womöglich auf diesem Wege gar in Verschwörungstheorien abrutschen? Aber wie sonst mit der Komplexität unserer Welt umgehen, die sicher nicht mehr umkehrbar ist?

Das Schlüsselwort heißt – Vertrauen. Aber richtig eingesetztes Vertrauen. Wir leben schon eine ganze Weile in einer arbeitsteiligen Welt. Seitdem der einzelne Mensch nicht mehr autonom für sich und seine Familie sorgte, braucht es zum Funktionieren des alltäglichen Lebens Vertrauen. Vertrauen in die Fertigkeiten des Schmieds, des Bäckers, des Schneiders, des Installateurs, des Fernsehtechnikers, des PC-Fachmanns. Von all diesen Leuten erwarten wir zu Recht Professionalität. Wir vertrauen ihnen, weil sie Meisterprüfungen abgelegt, ihr Fach mit Erfolg studiert haben und sich in der Praxis bewähren. Auslese durch Empfehlung oder Kritik tut das ihre. Ohne dieses grundlegende Vertrauen in die Fähigkeiten, aber auch in die Redlichkeit anderer würde soziales Zusammenleben ebenso wenig funktionieren wie unser privates Dasein. Dieses Vertrauen ist Ausdruck eines notwendigen rationalen Denkens. Bei einer bis vor einiger Zeit laufenden Werbung für ein Infoportal wurde das ganz klar zum Ausdruck gebracht: Nach dem Scheitern, professionelle Aufgaben durch eigenes Herumprobieren zu erledigen, hieß es: Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt. Der Erfolg dieses Spots dürfte immerhin darauf beruht haben, dass 99 Prozent der Zuschauer dieser Aussage spontan zugestimmt haben dürften.

Blinde Flecken

So weit, so gut. Nur leider gibt es in dieser von Rationalität und Vertrauen geprägten, eigentlich einleuchtenden Weltsicht offenbar bei Vielen ein gewaltigen blinden Fleck: Ausgerechnet im Bereich des eigenen Wohlergehens, der eigenen physischen und psychischen Gesundheit.

Ja, auch da ist die Welt komplex. Komplexer als bei der Kunst, Backwaren herzustellen oder auch einen PC zu reparieren. Seltsamerweise gibt es aber sehr viele Menschen, die sich in diesem Bereich auf einmal nicht mehr an die rationalen Regeln halten, die sonst eine gewisse Garantie für ein einigermaßen funktionierendes Leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft bieten.

Wir haben einen professionellen Berufsstand, dessen Ausbildung und Auslese so umfangreich, langdauernd und professionell ist wie nur wenige andere im akademischen Bereich: Die Ärzte. Sie stehen aufgrund unserer weitgehenden Absicherung in den Sozialsystemen praktisch jedem kostenlos zur Verfügung. Wir haben sogar die freie Arztwahl, wir haben einen Anspruch auf Aufklärung über die empfohlenen Behandlungsmethoden und entscheiden aufgrund der Möglichkeit, uns eine fundierte Meinung bilden zu können, selbst darüber, ob und welche Behandlung wir über uns ergehen lassen wollen. Es steht uns sogar frei, bei ernsteren Angelegenheiten auf Kosten der Sozialversicherung eine zweite Meinung einzuholen, um eine rationale Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Behandlungsmethode treffen zu können. Dazu muss ich mir allerdings die Mühe machen, mich mit der Aufklärung durch den Arzt, die zu dessen Hauptpflichten gehören, auch auseinanderzusetzen.

Diese Entscheidungsfreiheit habe ich nicht mal beim Fernsehmechaniker oder Hausgerätemechaniker. Wenn die sagen, kaputt, was Neues muss her, werden wir das in aller Regel seufzend so hinnehmen. Trotz eines gewissen Grundmisstrauens wird kaum jemand eine „zweite Meinung“ einholen, schon deshalb nicht, weil das das eigene Geld kostet.

Fernseher wichtig, Gesundheit egal?

So weit, so gut. Und jetzt kommt das Phänomen, dass viele Menschen trotz des Angebotes praktisch kostenloser Gesundheitsversorgung, ausgeübt von lange theoretisch und praktisch ausgebildeten, durch -zig Prüfungen gegangenen, zu ständiger Fortbildung verpflichteten Menschen, vor deren Approbation -dem Loslassen auf die Menschheit- auch noch die Ärztekammern stehen, dieses Angebot zu großen Teilen geradezu verachten? Und in Scharen zu Menschen laufen, die die Profession der Heilkunst weder studiert haben noch irgendwelchen wissenschaftlichen oder ethischen Standards verpflichtet sind, bei denen eine Absicherung gegen „Behandlungsfehler“ de facto nicht vorhanden ist und die Methoden weitgehend nach eigenem Gusto anwenden? Die über Risiken ihrer Methoden überhaupt nicht aufklären können, denn entweder sind diese unwirksam (und haben dann auch keine Nebenwirkungen, sehr wohl aber Risiken) oder es gibt gar keine belastbaren Erkenntnisse dazu? Das ist kein Vertrauen im Sinne wohlbegründeter Alltagsrationalität. Das ist blindes, unhinterfragtes, nach keiner Expertise ernsthaft verlangendes Spekulieren.

Nein, das können wir uns nicht erlauben. Diese Form von Irrationalität, von unhinterfragter Krtiklosigkeit ist ein Vergehen gegen sich selbst, gegen die Alltagsrationalität, die uns ansonsten recht gut leben lässt. Wer würde es begrüßen, wenn sich unterhalb der professionell tätigen Bäcker, Klempner, Informatiker und Kfz-Mechatroniker, nicht-handwerkliche Berufe wie Steuerberater oder Buchhalter natürlich ebenso, eine Szene bilden würde, die mit den nichtärztlichen „Ausübenden der Heilkunst“ (so steht‘s im Heilpraktikergesetz von 1939) vergleichbar wäre, also keine geregelte Ausbildung vorweisen kann, bei Beginn der Tätigkeit niemals einen Teig, einen offenen Fernseher oder eine leckende Heizung gesehen haben muss, sich aber darauf beruft, eigene, geradezu unfehlbare Methoden zu haben, die denen der professionell tätigen mindestens ebenbürtig sind? Bei denen sich die Kundschaft ohne nähere Nachfragen mit einem nahezu grenzenlosen Vertrauen auf großartige Versprechungen einfangen lässt? Was da passieren würde, darauf gab es vor wenigen Jahren einen Vorgeschmack, als der Gedanke aufkam, die Qualifikationsvoraussetzungen für bestimmte Handwerksberufe abzusenken – sprich die Meisterprüfung abzuschaffen. Empörung ging durch die Reihen.

Aber im Gesundheitswesen soll es das geben? Ach nein -gibt es ja bereits, mit dem Stand der Heilpraktiker, mit der Adelung der Homöopathie als Teil des Gesundheitswesens… Noch eine Etage tiefer mit der praktisch unbeschränkten Szene der „Lebenshelfer“, Gurus, Fernheiler und sonstigen Rumprobierer am Menschen? Da schreit doch schon einfachste Logik laut : Irrational!

Der Mensch ist schwach…

Ja, ich kann es nachvollziehen, als psychologisch deutbares Phänomen sogar im Ansatz verstehen – aber akzeptieren oder gar gutheißen kann ich es nicht, die Einstellung zur Irrationalität, gerade wenn es um einen selbst, das körperliche und das geistig-seelische Wohlbefinden geht. Instinktiv wird das „mechanistische“ Bild von Medizin und Therapie abgelehnt, als mehr oder weniger unangemessen für eine so komplexe Entität wie den Menschen. Und das, obwohl in der Fachwelt das klassische Bild der mechanistischen Medizin längst als ausgedient gilt und die „soziale Medizin“ Forschungsgegenstand weltweit ist (worauf die Sozialversicherungssysteme allerdings erst einmal reagieren müssten). Es gibt bereits erste Leitlinien für diese auch „soziale Medizin“ genannte Richtung. Es ist die Aufgabe der Gesundheitspolitik und ihrer Akteure, die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Jeder verantwortungsvolle Mediziner wird sich dem aber schon heute verpflichtet fühlen.

Die alte Vorstellung von Leib-Seele-Dualismus, die in den meisten Menschen auch heute noch mehr oder weniger herrscht, spielt dabei eine große Rolle. Diese stets mitschwingende Vorstellung ist wohl in der Hauptsache verantwortlich dafür, dass die Ratio plötzlich in Bezug auf sich selbst nicht mehr funktioniert und -gefühlsmäßig scheinbar angemessen, aber irrational- auf Menschen und deren Methoden gesetzt wird, die uns glauben machen wollen, sie verstünden etwas von den „Dingen zwischen Himmel und Erde“, von dem, was über die rationale Betrachtung unserer menschlichen Möglichkeiten hinausgeht, auch und gerade beim Menschen selber. Tun sie aber nicht.

Was dem Menschen nachweislich hilft, wird von der Medizin und den sie umgebenden Humanwissenschaften stets aufgenommen und entwickelt, damit es in den Kanon der Wissenschaft eingeht. Den „Wissenden über die Dinge zwischen Himmel und Erde“ bleiben zwangsläufig im günstigsten Falle unwirksame und im ungünstigsten Falle schädigende „Methoden“. Wir schließen uns Spekulanten an, wenn wir dem folgen. Spekulanten auf Kosten unseres leiblichen und seelischen Wohlergehens – und auf Kosten unseres Bankkontos.

Jeder sollte einmal darüber nachdenken, mit wie viel Vertrauen in die Fähigkeiten und die Integrität anderer wir jeden Tag durchs Leben gehen. Und sich dann Rechenschaft darüber ablegen, ob es vor sich selbst verantwortbar ist, diese Form der Rationalität genau dann, wenn es um uns selbst oder um Menschen in unserer Umgebung, für die wir in der einen oder anderen Form Verantwortung tragen, auszublenden. Zumal der Zugang zu Informationen, die uns zu einer rationalen Entscheidung befähigen, nie so offen war wie heute. Hier kommt natürlich ein anderes, weiterführendes Thema zum Tragen – die Medienkompetenz.

Rationalität ist gelebte Verantwortung

Niemand kann alles wissen und können. In jeder Sparte gibt es schwarze Schafe. Natürlich kann ich mich als Patient bei einem Arzt auch unverstanden und unwohl fühlen. Selbstverständlich ist es nicht schön, auch nur eine Zeitlang von der vielgeschmähten Apparatemedizin abhängig zu sein. Nur – wo ist die rationale, die sinnvoll begründbare Alternative? Wir sollten unsere materiellen und ideellen Ressourcen, unsere Fähigkeit, uns in der heutigen Welt zu orientieren, nicht dem Fetisch der Irrationalität opfern. Das dürfte, wenn sich diese Haltung ausbreitet, unsere Zukunft konkret gefährden.

Dieser Appell, der sich bis hierher an den Einzelnen richtete, gilt aber ebenso und vielleicht in noch höherem Maße für unsere politischen Entscheidungsträger. Ich kann diesen den Vorwurf nicht ersparen, durch Indifferenz (wir erleben es gerade wieder in aktuellen Debatten wie der über die Erstattung von Homöopathiekosten durch Krankenkassen), aber auch durch aktive Förderung (Homöopathie und anthroposophische Medizin im Gesundheitswesen!) die von mir hier kritisierte Irrationalität geradezu zu befördern.

Ich unterliege nicht der Illusion, vorauszusetzen, politische Entscheidungen und Diskurse würde im Sinne der aufklärerischen Ideale immer zu einem rationalen und nicht emotional bestimmten Ergebnis führen. Dies hieße, auch die Person des politischen Entscheiders zu überfordern. Aber von einer vernunftgesteuerten Politik kann erwartet werden, dass sie mit ihren Entscheidungen nicht einen kompletten Bruch mit der Rationalität in klar entscheidbaren Sachfragen -nicht etwa bei Richtungs- oder Prognoseentscheidungen, das ist etwas anderes- riskiert oder gar herbeiführt. In Bezug auf das Gesundheitswesen ist es aber leider so – was es schwermacht, den Einzelnen dazu aufzurufen, seine persönliche Neigung zur Irrationalität hintanzustellen. Ich sehe hier ein schweres Versagen der Politik, das zu korrigieren sie sich bald aufraffen sollte.

 

Subjektivismus ist ein dünnes Eis für die Entscheidungen eines demokratischen Gemeinwesens. Noch mehr ein Subjektivismus, der von Fakten weitgehend unberührt bleibt. Kants Kategorischer Imperativ, der unausgesprochen der Leitstern aller demokratischen Systeme ist,  beruht auf der Voraussetzung von Rationalität, ja, ist geradezu eine Gebrauchsanweisung, um zu weitgehend rationalen Entscheidungen zu kommen. Das Staatsziel von Kant und der Aufklärer, das „Wohlergehens möglichst vieler“ erfordert einen auf Ratio gestützten Abwägungs- und Entscheidungsprozess. Nicht Subjektivität.

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog „Keine Ahnung von Garnix“ und wird hier in leicht überarbeiteter Form veröffentlicht.

 

Bildnachweis: Fotolia_146296800_S

 

5 Responses
  1. Vielen Dank für diesen Appell! Es wird Zeit, dass die Dinge offen benannt werden. Mir persönlich schwindet leider in der Diskussion immer wieder die Kraft an der Stelle, wo die eigenen Erfahrungen des Gegenübers ins Spiel kommen: „also mir (meinen Kindern, meinem Hund) hilft es doch!“ Hier wird es echt schwierig, denn die rationale Erklärung für Verbesserung von Befindlichkeitsstörungen, oder noch besser, die rationale Erklärung für die Besserung einer Mandelentzündung lässt den Homöopathiegegner in den Augen der Gläubigen wie einen Sadisten erscheinen, der helfende „Mittel“ um des Prinzips willen vorenthalten möchte! Die Betrachtung der Gesundheitheit und Therapie von Krankheiten als Ganzes und des wissenschaftlichen Fortschrittes im Speziellen hilft hier leider gar nicht. Der durch Zuckerperlen „geheilte“ Patient empfindet die Ratio als persönlichen Angriff auf seinen Glauben, einen Angriff auf seine souveräne (!) Entscheidung sich dem Heiler anzuvertrauen. Und nicht zuletzt trägt das Bild unsers Gesundheitssystems selbst dazu bei und dass, obwohl es rational betrachtet, zu den besten der Welt gehört. Fragt man den Gläubigen in welcher Gegend der Welt er denn lieber mit seiner Erkrankung leben möchte, wird er kaum eine Welt der Schamanen bevorzugen.

    • Danke für Ihren Kommentar! Ja, der „blinde Fleck“ begegnet einem oft, allzu oft. In vielen Debatten kommt man über das Niveau des „Mir hat es aber geholfen“ kaum hinaus. Zweifellos hat man auch nicht immer die Kraft, dann „am Ball“ zu bleiben – das geht mir genauso. Aber in der Zielsetzung, die Informationsbasis über Pseudomedizin (und andere irrationale Verirrungen) zu verbreiten, diskutiert man nun mal nicht unbedingt darüber, ob der Wissnschaftsbegriff Kants die Homöopathie legitimiert oder nicht. Da geht es um Basics, wie das post hoc ergo propter hoc-Argument und seine Erklärung / Widerlegung. Dabei braucht man – Geduld. Denn in der Tat, das Ganze hat sehr viel mit verinnerlichten „Glaubensinhalten“ zu tun, oft auch noch mit einer nicht eingestandenen inneren Unsicherheit, es könne an den Argumenten gegen die Pseudomedizin doch was dran sein – was die Abwehr noch verstärkt.
      Öfters höre ich von den Skeptikerkolleginnen und -kollegen, man bemühe sich ja eigentlich nur noch um die Zweifler und Unsicheren, die oft stille Mitleser in Blogs und Foren sind. Daraus aber ergibt sich wieder eine gewisse Sinnahftigkeit der ständigen -gleichen- Diskussionen über „Basics“. Schon der von mir oft zitierte und herangezogene Prof. Otto Prokop, Doyen der deutschen Rechtsmedizin, hat darauf hingewiesen, dass sich seine aufklärerische Tätigkeit genau an diese Zweifler und Unsicheren richtet, die noch nicht dem „Wahn der Irrationalität“ völlig verfallen sind.
      Es ist nach meiner Ansicht die Pflicht eines Jeden, der sich einen klaren Blick bewahrt hat, dem Tsunami an Irrationalität entgegen zu treten, der sich jeden Tag aufs Neue auftürmt. Ohne dabei in Besserwisserei und Überheblichkeit zu verfallen – die Selbstkritik, die er von anderen verlangt, muss der Skeptiker auch bei sich selbst üben.

  2. osterhasebiene langnase Antworten

    Menschen durch alle Generationen entwickeln in dieser Zeit zunehmend „Allergien“ gegen Fremdbestimmung – das kann man beobachten und als den neuen Zeitgeist konstatieren. Diesen Menschen ist die Selbstbestimmung (wie auch immer) oft wichtiger als ihr Leben. Sie empfinden das als Lebensqualität. Esoteriker oder Alternativ-Denker nennen das die 5. Dimension (der Liebe). Wie die Wissenschaft mit diesem Phänomen umgeht, bleibt deren Phantasie überlassen. Mit rationalen Argumenten wird es schwierig werden, denke ich, denn die Ratio ist ja Teil des „Problems“. Ich halte es auch nicht für klug, das Phänomen zu ignorieren, abzuwerten oder zu bekämpfen. Hier kann bestenfalls etwas integriert werden.

    • Das Problem der Allergien auf Fremdbestimmung würde ja dann auch auf den Fernsehmechaniker und den Steuerberater zutreffen. Es ist natürlich etwas dran an Ihrem Argument, aber für so durchschlagend halte ich es nicht. Vielmehr dürften die Irrationalitäten des Alltags eher durch eine Unterwerfungstendenz als durch eine Tendenz zur Selbstbestimmung erklärbar sein. Wer einfache Lösungen anbietet, befriedigt ein Grundbedürfnis und wird in einer nächsten Stufe zur Autorität. Das ist ein typischer Verlauf. Die Selbstbestimmung geht dabei doch eher über Bord.
      Ignorieren, abwerten, bekämpfen – das sind nicht Begriffe, die ich unterschreiben würde. Ich verschreibe mich sachlicher Aufklärung, die auch auf meiner Seite das Bemühen voraussetzt, das Gegenüber und seine Beweggründe einigermaßen zu verstehen. Dass dabei Freundlichkeit, Höflichkeit und im direkten Gespräch auch menschliche Zuwendung vonnöten sind, ist selbstverständlich.
      Allerdings muss man schon die Ebene der aufklärungsbedürftigen „Konsumenten“ und „Kunden“ von der Ebene der Proponenten und Lobbyisten unterscheiden. Bei der zweiten ist die Diskursgrundlage eine andere.
      Danke für Ihren Kommentar!

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